Überführungstörn Kiel – Warns; Tag 9.; ungefähr 20:30 Uhr; Ansteuerung Dovetief, Norderney; Dämmerungsbeginn
„Was hat der Kollege gesagt?“ Nun, seiner Meinung nach müssten wir gegen 21:15 Uhr über das Flach kommen, vielleicht schon 21:00 Uhr“. „Gut, dann stellen wir uns um 21:00 Uhr vor die Tonne, unmittelbar vor die Flachstelle, und versuchen es einmal“. …Der „Kollege“ war ein Einheimischer von einem Windparkversorger, auch Segler von Norderney mit entsprechender Revierkenntnis und perfekt, dass Ludwig ihn angefunkt hat. Diese Nachricht tut gut, nachdem wir über zwei Stunden zwischen den ersten beiden Tonnen mit langsamer Fahrt hin- und hergependelt sind und auf Wasser gewartet haben. Das war leider notwendig, da uns die Flachstelle sehr überzeugend darauf hingewiesen hat, dass man im Gezeitenrevier nun mal nicht zu jeder Zeit überall hinfahren kann, auch wenn man es nach Kartentiefe und Planung eigentlich können sollte. Die Fahrwasser in diesem Gebiet sind jedes Jahr etwas anders und darauf muss man sich einstellen.
21:00 Uhr, wir stehen vor der Flachstelle, eigentlich wollten wir um diese Zeit fest in der Marina von Norderney sein und nun nachtet es bereits merklich ein. „Da vorn sollte die befeuerte Tonne sein …“ eigentlich, denn sie hat kein Feuer.
Kurz nach 21:00 Uhr schleichen wir über die Flachstelle. Der Tiefenangabe sinkt kurzzeitig unter 2m, der Abstand zu den Flachstellen beträgt keine 50m, ziemlich eng … eigentlich – zumal im Dunkeln und ich versuche am Ruder ein Gefühl zu entwickeln, wohin uns Strom und Diesel ziehen und schieben.
Andreas (Hecki) ruft vom Kartentisch neue Kurse und Entfernungen, kocht eine Superportion Reis und bestimmt die Peilungen Leuchtfeuer Norderney jeweils eine Kabellänge vor den jeweiligen Tonnen – alles zeitgleich. Alles locker … eigentlich.
Matthias peilt mit dem Marinedoppelglas (das gute Steiner) Leuchtfeuer Norderney: „Peilung, die nächste Tonne muss an Backbord voraus auftauchen, ca. eine Kabellänge!“ Andreas (Hille) leuchtet mit der starken Stablampe und tatsächlich, wie bestellt erscheint sie wenige Minuten später.
Neuer Kurs, voraus sehe ich nichts … eigentlich. Ludwig steht neben mir und souffliert (… etwas abfallen) … das tut gut. Ich fixiere die Kompassrose, der Kurs laut Plotter springt zu sehr. Ich denke an die Navigationsangaben in unseren Ausbildungen, aufs Grad genau … eigentlich. Matthias: „Peilung, nächste Tonne Steuerbord voraus, sollte befeuert sein“ … eigentlich, also auch diese ist aus.
So geht es gute 30min, der Diesel läuft mit 2300 Umdrehungen, aber wir schieben uns trotzdem nur mit knapp 2kn am Strand von Norderney entlang – in diesem Arm, auflaufend Wasser, jetzt halt Strom gegenan … ordentlich. Der Strand von Norderney scheint im Dunkeln zum Greifen nah, gefühlt sehr nah, am Tage wird uns das gänzlich anders vorkommen. „Peilung für die nächste Tonne sollte stehen“? „Nein, tut sie nicht, Leuchtfeuer Norderney verbirgt sich hinter den Dünen“.
Mittlerweile aber kein wirkliches Problem mehr, der hell-beleuchtete Ort Norderney ist schon fast querab, das Fahrwasser wird deutlich breiter. Wir laufen mit dem auflaufenden Wasser aus dem Schluchter in das Norderneyer Seegatt. Nun schiebt es … ordentlich. Maschine mit nur noch 1300 Umdrehungen und über 6kn Fahrt nach GPS. „Du bist sehr flott unterwegs, soviel Platz ist hier auch nicht“, Andreas aus dem Salon, „Der Reis ist übrigens fertig“. Ich erhöhe die Drehzahl trotzdem um ausreichend Ruderwirkung zu haben. Ludwig souffliert erneut für die Details der Hafeneinfahrt und Augenblicke später schiebt sich das gegen den Querstrom gestellte Boot in das ruhige Hafenwasser. (…).
Natürlich nur ein Moment in einer 2-wöchigen Reise, natürlich kann man den Überführungstörn auch bilanzieren, ich erspare es mir aber – schaut euch einfach das tolle Video von Andreas (Hille) an. LeYa-Tracker 2024
Mir bleiben eine ganze Reihe langer, erlebnisreicher Tage und Nächte, Situationen und Erfahrungsmomente im Gedächtnis – jedem von uns; Langstrecke hat schon was. Aber vor allem hat mich die Crew begeistert – jeden Tag von sehr früh bis sehr spät auf den Beinen, manche Male auch Tag und Nacht, dabei 14 Tage Zusammenhalt in jeder Hinsicht - …cool. Wer war nun dabei?
Ludwig Gelzhäuser, Andreas Hecking, Matthias Herboth, Andreas Hillebrand und ich, Olaf Fleck
Ausblick:
In der nächsten Saison möchten wir verschiedene, intensivere Segeloptionen auf der LeYa anbieten. Diese sind in der Ostsee geplant, auch wird es wieder Überführungen geben und hierfür ist zurück der lange Schlag „oben herum“ mit diesmal 3 Wochen geplant
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